Sternbeck im Amt / Interview

  • Veröffentlicht am: 4. Juni 2004 - 7:24

Die Sensation ist perfekt. Nach Bad Harzburg hat nun Neustadt am Rübenberge mit Uwe Sternbeck (41) als zweite niedersächsische Gemeinde einen Grünen als hauptamtlichen Bürgermeister.

Interview mit Uwe Sternbeck im Dezember 2004.

Vorstand: Wie geht es Dir?

Uwe: Gut.

Vor: Welchen besonderen Reiz übt das

Amt des Bügermeisters auf Dich aus?

Uwe: Das Besondere an dieser Stadt ist ihre Größe und ihre Lage. Sie liegt in der Nähe der Großstadt Hannover und ist ländlich geprägt mit 33 Dörfern,

von der Fläche her eine der größten Städte in Deutschland. Man muss sich Gedanken machen über Wirtschafts- und Strukturentwicklung in den dörflichen Gemeinschaften.

Vorstand: Du bist ein halbes Jahr im Amt. Was hat Dich bisher im Amt am meisten beeindruckt?

Uwe: Die vielen Kontakte. Ich lerne sehr viele unterschiedliche Menschen kennen.

Vorstand: Haben sich Deine Erwartungen an das Amt bestätigt?

Uwe: Ja. Meine Erwartungen waren, dass es sehr komplex und ausfüllend sein würde. Und ich habe auch erwartet, dass in einer schwierig strukturierten Stadt wie Neustadt es auch von vornherein darum gehen würde, Prioritäten zu setzen.

Vorstand: Wie hat sich Dein Verhältnis zu den anderen Parteien, die eine Bürgermeisterkandidatin den Bürgerinnen

und Bürgern präsentiert hatten, entwickelt?

Uwe: Es war sehr unterschiedlich mit einzelnen Personen in den

verschiedenen Parteien. Es gab einzelne, die verstanden haben, was die Bürger wollten. Einige haben etwas länger gebraucht. Aber im Grund genommen kann ich sagen, dass wir ein gutes Verhältnis haben, dass man über Dinge offen sprechen kann, sich streiten und anderer Meinung sein kann. Das geht quer durch die Parteien.

Vorstand: Das hört sich nach grundsätzlich positiver, konstruktiver Arbeit an?

Uwe: Grundsätzlich ja.

Vorst: Wie ist Dein Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt?

Uwe: Dazu fallen kurze Aussagen schwer.

Diejenigen, die hierher kommen, in die Sprechstunde, sind aufgeschlossen und sind damit zufrieden, was dann dabei herauskommt. Man kann ihnen auch erklären, was schwierig ist. Und bei öffentlichen Reaktionen kann ich sagen, dass ich eine grundsätzlich positive Stimmung spüre. Ich glaube, die Zeit ist noch zu kurz um zu erwarten, dass mir jemand ohne besonderen Grund seine Meinung über meine Arbeit mitteilt.

Vor: Welches Ziel hat oberste Priorität?

Uwe: In der nächsten Zeit hat die Anpassung der Entwicklung der Stadt an die demografische Entwicklung verbunden mit dem Sparzwang Priorität.

Vor: Der Sparzwang bestimmt das politische Handeln.Siehst Du für Dich überhaupt noch einen Handlungsspielraum?

Uwe: Ich denke schon, dass man handeln kann auch ohne dass man dafür Geld ausgeben muss. Es geht darum, andere mit einzubinden. Auch, um in den Aufgaben den vorhandenen Handlungsspielraum zu erweitern.

Vorst: Manchmal hat man den Eindruck, das das, was an einer Stelle gespart wird, an anderer Stelle statt dessen ausgegeben werden soll. Wie kannst

Du das verhindern?

Uwe: Es ist schon schwierig, Einsparmöglichkeiten bis aufs Äußerste zu strapazieren, wenn an anderer

Stelle Umlagen, wie die Regionsumlage, erhöht werden. Hier habe ich keinen Handlungsspielraum.

Vorst: Ist die Einsparung einer Stadtjugendpflegerstelle angesichts der Bevölkerungsentwicklung nicht sinnvoll?

Uwe: Sie ist überflüssig. Ich selber sehe das so, dass das zum Glück auch in der Debatte der Parteien geändert worden ist. Die Streichung ist vom Tisch. Es soll erst einmal über ein Konzept für die Jugendpflege nachge-dacht werden. Ich persönlich glaube nicht, dass man zum jetzigen Zeitpunkt in der Stadtjugendpflege eine Personal-

diskussion führen muss. Wir haben die Situation, dass die Zahl der Jugend- lichen weniger wird, die Anzahl der Problematischen höher. Gerade hier ist eine Einsparung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend.

Vorstand: Wie kann die Wirtschaft in Neustadt gestärkt bzw. erst angesiedelt werden?

Uwe: Wir werden versuchen auf Dauer zu kooperieren. Städte wachsen an Autobahnen, Neustadt ist zu weit

entfernt vom Autobahnanschluss. Hier sind Kooperationen in der Region von Bedeutung.

Vorst: Gibt es in Neustadt ein Integrationsdefizit? Ist der Stadt bekannt, was in der Moschee vor sich geht?

Uwe: Wir haben relativ geringe Probleme. Wir haben zu der Moschee keine Kontakte.

Vorst: Wie stehst Du zur Einführung eines islamischen Feiertages?

Uwe: Das ginge nach meiner Meinung zu weit. Die Wurzeln unserer Gesellschaft liegen im Christentum. Mit einem

moslemischen Feiertag wäre unsere Gesellschaft überfordert.

Vorst: Welche Akzente in der Politik kannst Du als grüner Bürgermeister setzen?

Uwe: Schwer zu sagen. Als Bürgermeister ist man eher nicht parteipolitisch. An einigen Stellen wird dann aber schon

deutlich, woher ich komme. Zum Beispiel räume ich dem weiteren Ausbau der regenerativen Energien Priorität ein und unterstütze deshalb Initiativen zur Biogasgewinnung in Neustadt.

Vorstand: Kann der Umweltschutz angesichts der sozialen Probleme in der Politik überhaupt noch eine Rolle spielen?

Uwe: Ich will das mal verdeutlichen an dem Beispiel der sozial schwächeren Familien. Die müssten in die Lage

versetzt werden, Strom zu sparen, indem man ihnen erklärt,wo das überall möglich ist.

Vorst: Eine große Herausforderung in der nahen Zukunft ist die Alters- pyramide. Hast Du ein Konzept für Neustadt?

Uwe: Noch nicht, aber ein Konzept ist in Arbeit.

Vorst: Gibt es angesichts fehlender Jobs und fehlender finanzieller Mittel noch Visionen, die einen motivieren?

Welche sind das bei Dir?

Uwe: Zuerst: Strukturwandel und die mit ihm einhergehenden Probleme hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Deshalb darf man daran nicht verzagen.

Ich glaube, dass dieses Land wieder mehr Visionen bräuchte, um aus seiner doch manchmal recht lethargischen Haltung zu erwachen.

Zweitens: Ich werde die Hoffnung auf eine gerechtere, menschlichere und im Einklang mit den natürlichen Prozessen lebende Gesellschaft nicht aufgeben.

Vorst.Was hast Du Dir für das nächste Jahr vorgenommen?

Uwe: Es gibt klar definierte []Baustellen[], in denen Erfolge sichtbar werden sollten: Weitere Umsetzung der Verwaltung-modernisierung, Personalbedarfsplan, Kooperationsmöglichkeiten prüfen und Umsetzungsschritte einleiten.

Das Interview führte Ute Lamla aus dem Vorstand des grünen OV Neustadt.

Das ist Uwe Sternbeck

Freunde und Bekannte beschreiben Uwe Sternbeck als freundlichen, ruhigen Menschen. Verlässlichkeit, gesunder Idealismus und christlicher Glaube sind seine weiteren wichtigen Eigenschaften. Er geht gern mit Menschen um und es macht ihm Freude, im persönlichen Gespräch unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren. Uwe Sternbeck lebt in der Kernstadt mit seinem Sohn Myrko (13) in einer "Patchwork"-Familie mit Anja Schlakat und ihrem Sohn Steffen (12). Seine Hobbies sind Fahrradfahren, Wandern und Klavierspielen. Ausserdem interessieren ihn Filmkunst, Musik und Fußball.

Studium und Beruf

Uwe Sternbeck hat an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Hildesheim studiert. Nach dem Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt begann seine Beamtenlaufbahn bei der Bezirksregierung Lüneburg. Von dort wechselte er zum Landwirtschaftsministerium, wo er an der Konzeption von EU-Förderprogrammen für den ländlichen Raum mitwirkte. Anschließend arbeitete Uwe Sternbeck in der Staatskanzlei im Bereich der Steuerung der Energie- und Umweltpolitik sowie der Haushaltsplanung.

Seit 1996 ist er bei der Landesnahverkehrsgesellschaft mbH, die zentrale Stelle für den öffentlichen Personennahverkehr in Niedersachsen ist, beschäftigt. Dort leitet Uwe Sternbeck die Bereichsgruppe Finanzmanagement und Controlling.

Mit Uwe Sternbeck und Bündnis 90 / Die Grünen: Mehr Einsatz für ein lebenswertes Neustadt

Schon in der Zeit der grünen Beteiligung an einer Mehrheitsgruppe in Neustadt haben wir uns dafür Stark gemacht, dass Neustadt lebenswert bleibt: Freibäder blieben erhalten, Radwege wurden ausgebaut und eine flächendeckende Wegweisung eingeführt. Mit kreativem Haushaltsmitteleinsatz gelang es z.B. die Betriebskosten im Freibad Nöpke durch eine Solaranlage zu senken.

Die kostenträchtigen und motivationsvernichtenden Beschlüsse der CDUSPDFDP haben wir nicht mitgetragen. Unser Bürgermeister Uwe Sternbeck wird seine Rechtsanwendungs- und Haushaltskenntnisse dazu einsetzen, effektivere Lösungen zu suchen: Lieber wenig Geld in eine moderne Straßenbeleuchtung investieren: Dann kann nachts das Licht anbleiben und die Stadt spart Stromkosten. Schon innerhalb von drei Jahren wäre die Investition wieder eingespart.

Der Service für die Bürgerinnen und Bürger muss im Mittespunkt stehen

Eine moderne Stadtverwaltung muss bürgerfreundlich sein: Gut erreichbare und freundliche Ansprechpartner, einfach durchschaubare Formulare und schnelle Bearbeitungszeiten sind erreichbar: Die von der Region übernommene Zulassungsstelle ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Verwaltung entwickeln lässt und darf ruhig Beispiel für die ganze Stadtverwaltung werden.

Unser neuer Bürgermeister wird nach einer Analyse der vielgescholtenen Stadtverwaltung an einer solchen Neuausrichtung arbeiten. Dabei kann sicher davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungspersonal besser ist als sein Ruf. Auch in Neustadt können kreative Teams gebildet werden, um Aufgaben auf ihre Notwendigkeit zu prüfen und dadurch Freiräume für bisher brachliegende Problemlösungen zu schaffen.

Keine leeren Versprechungen mit leeren Kassen

CDUSPDFDP wollen uns weismachen, dass es mit ihren Beschlüssen vom letzten Jahr und mit bereits durchgesickerten Vorhaben wie Schließung der KGS-Küche und Einsparung der Stadtteilbüchereien geschafft werden kann, dass Neustadts Haushalt soweit konsolidiert wird, dass die Stadt wieder handlungsfähig und irgendwann sogar schuldenfrei wird. Dies ist eine Illusion!

Neustadt hat als ländliche Kleinstadt ein nur vergleichsweise geringes eigenes Steueraufkommen. Als flächengrößte Stadt Niedersachsens hat sie aber natürlich mehr Schulen, Wasser- und Abwasserleitungen oder Straßen-km als alle anderen Städte in der Region Hannover. Dies wird aber bei den der Stadt von Land und Region zugewiesenen Mitteln nicht angemessen ausgeglichen. Neustadt bräuchte eine wirklich faire Finanzausstattung, die im Moment nicht absehbar ist. Wegen dieser strukturellen Nachteile kann es finanziell nicht selbst gesunden. Sparen als Selbstzweck lehnen wir aber ab!

Dies wird Uwe Sternbeck gegenüber den "höheren" Körperschaften verdeutlichen und sich für Veränderungen stark machen. Für Neustadt gilt es festzulegen, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen. Wofür sie bereit sind auch aktiv durch Mitarbeit und -finanzierung einzutreten. Dazu gehört ganz bestimmt Kultur und Bildung, weil Deutschland insgesamt nur mit Investitionen in die geistige Entwicklung eine gute Position auf dem Weltmarkt erhalten kann.

Auf die eigenen Stärken besinnen

Neustadt hat gute Potenziale: Zahlreiche mittelständische Unternehmen in Zukunftsbranchen wie erneuerbaren Energien, hochwertiges Handwerk, Spezialmaschinenbau, Eisenbahnbau. Die Wirtschaftsmesse Robby der NKI beweist dies immer wieder eindrucksvoll. Daneben bietet die vielseitige und reizvolle Landschaft Möglichkeiten sowohl den sanften Tourismus weiter auszubauen sowie eine umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft zu entwickeln.

Uwe Sternbeck kennt diese Stadt und die 33 Dörfer. Er wird sich dafür einsetzen, dass Neustadt mit einer attraktiveren Innenstadt und lebendigen Dörfern lebenswert bleibt.

Kontakt: mailto:sternbeck@gmx.net [Uwe Sternbeck]

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