Haushaltsrede 2: Daniel Gardemin

Am 12. Dezember ist der Doppelhaushalt der Jahre 2025/2026 vom Rat der Stadt Hannover beschlossen worden. Die Vorsitzenden der Fraktion Grüne + Volt + Piraten haben die zwanzigminütige Redezeit jeder Fraktion geteilt und je eine Rede gehalten. Dies ist die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Dr. Daniel Gardemin:

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Anwesende,

es ist heute genau zehn Tage her, dass viele von uns, die heute hier zusammensitzen, gemeinsam applaudiert haben. Wir haben unsere Freude geteilt, waren gemeinsam stolz, und haben alle mehr oder weniger dieselben Selfies gemacht. Ich rede vom Abend des 2. Dezember, als der Stadtkulturpreis an Franziska Stünkel und an den Verein WAS MIT HERZ verliehen worden ist. Ich muss nicht wiederholen, für was WAS MIT HERZ steht. Es ist ein Kollektiv für das Gemeinwesen. Auch die, die den Verein vorher nicht gekannt hatten, haben an diesem Abend verstanden, warum er wichtig ist für unsere Stadtgesellschaft.

Bisher hat die Landeshauptstadt Hannover WAS MIT HERZ nicht gefördert. Das möchte unsere Fraktion ändern, da die externen Mittel für den Verein zum Teil auslaufen und die Tätigkeiten gefährdet sind. Damit würde sichergestellt werden, dass der Verein so weiterarbeiten kann wie bisher. Nicht mehr als das – aber auch nicht weniger.

Allen, die vor zehn Tagen für WAS MIT HERZ und für die Geschäftsführerin Alina Zimmermann mitgeklatscht haben, sollte klar sein: Wenn Sie heute dem Haushaltsentwurf des Bündnisses aus SPD, CDU und FDP zustimmen, dann fördern Sie den Verein nicht und schränken die Handlungsfähigkeit dieses Vereins ein. Und zwar nicht erst irgendwann, sondern in drei Wochen, ab dem 1. Januar 2025.

Leider ist WAS MIT HERZ kein Einzelfall. Wir haben eine ziemlich dramatische Situation, in der unsere Hilfesysteme für Kinder und Jugendliche auf der Kippe stehen. Und immer geht es um Arbeit für das Gemeinwesen. Wie bei WAS MIT HERZ. Es geht um Einrichtungen wie das Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche Löwenzahn, das Mädchenhaus KOMM Hannover, die Jugendberatung Hinterhaus oder das Männerbüro Hannover e.V. mit seinem Programm gegen sexualisierte Gewalt an Jungen und männlichen Jugendlichen.

Ohne diese Vereine würden viele Kinder und Jugendliche sehr alleine in existenziellen persönlichen Notsituationen dastehen. Post-Corona-Belastungen, steigende Armut, zunehmender Druck in Familien, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Mobbing an Schulen und massive Zukunftsängste. Die Beratungsstellen arbeiten seit Jahren an der Grenze ihrer Kapazitäten. Hierzu haben wir unterstützende Haushaltsanträge gemacht. Wenn Sie als sogenanntes Deutschland-Bündnis Hannover wirklich zur familienfreundlichsten Stadt machen wollten, hätten Sie unseren Haushaltsanträgen zugestimmt.

Apropos Preisträger: 2002 bekam der Pavillon am Raschplatz eben jenen Stadtkulturpreis. Der Pavillon gehört zu denen, die dringend auf mehr Mittel angewiesen sind, um weiter gut zu arbeiten. In den Anträgen unserer Fraktion ist das bedacht – im Entwurf des Bündnisses nicht. Das Gleiche gilt für den Andersraum, der gegen Queerfeindlichkeit kämpft, Stadtkulturpreisträger 2021. Soll von uns unterstützt werden, von Ihnen nicht. Oder Neues Land e.V., der mit Suchterkrankten arbeitet, Preisträger für besonderes bürgerschaftliches Engagement 2022. Alle geehrt für ihren Beitrag für den sozialen Zusammenhalt Hannovers. Viel Ehr aber bloß keinen Cent, das ist die Devise Ihres sogenannten Deutschlandbündnisses.

Nein, nicht nur keine finanzielle Würdigung. Der schlimmste Fall ist eingetreten: Sie wollen den Preisträgern sogar Geld wegnehmen. 2013 erhielt beispielsweise der Verein für interkulturelle Kommunikation, Flüchtlingshilfe und Migration, KARGAH, den Sonderpreis für besonderes bürgerschaftliches Engagement. Verliehen wird er an Personen oder Einrichtungen, die sich in besonderer Weise für das Zusammenleben von Menschen in dieser Stadt engagieren. Und was macht das sogenannte DeutschlandBündnis? Sie kürzen KARGAH bis zur Unkenntlichkeit zusammen, so dass nichts mehr geht. Keine Hilfe für Geflüchtete, keine Beratungsarbeit, keine Ertüchtigung des Ehrenamts.

In der Begründung der Kürzung heißt es von Seiten der SPD, CDU und FDP im O-Ton: KARGAH sei ein Begegnungsraum, der das Fremde erkundet, das brauche man nicht, Alltagsintegration fände schon ausreichend statt. Wer so redet, braucht sich nicht zu wundern, dass es aus allen Ecken der Stadt Kritik hagelt.

Nun könne man meinen, hier mal ein wenig kürzen, um dort dem Schützenfest etwas mehr zu geben, schade ja nicht. Nein, ihre Kürzungen sind keine Kleinigkeiten, sie schlagen tiefe Wunden. Sie kürzen allein KARGAH 400.000 Euro in den nächsten zwei Jahren weg. In drei Wochen, am 1. Januar 2025, verlieren neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei KARGAH ihre Arbeit. Menschen in Not verlieren Kargah als Ansprechpartner und Schutzraum. KARGAH ist das Symbol Ihrer erschreckenden Haushaltspolitik.

Für Ihre Kürzungen müsste man Ihnen von SPD, CDU und FDP den Sonderpreis für gesellschaftliche Spaltung verleihen.

Ich könnte übrigens mit der Preisträgerliste so weitermachen. Preisträger für bürgerschaftliches Engagement 2015 war der Unterstützerkreis Flüchtlingsunterkünfte UFU, das Freiwilligenzentrum erhielt 2003 den Stadtkulturpreis. Auch sie waren auf der Streichliste Ihres sogenannten Deutschlandbündnisses. Die Begründungen für die Streichungen wieder schauderlich. O-Ton: Willkommenskultur sei vorbei, die Gesamtlage heute sei eine andere. Mit ein wenig Neuorganisation käme man schon mit weniger Geld hin usw.

Viele der Menschen, die hier im Ratssaal sitzen, waren damals auch bei den jeweiligen Preisverleihungen mit dabei. Wie am vorletzten Montag haben wir alle auch damals begeistert geklatscht und uns gegenseitig versichert, wie gut und wichtig die Angebote dieser Vereine für den Zusammenhalt Hannovers sind.

Immerhin haben sie die Kürzungen der letzten beiden genannten Preisträger zurückgezogen. Aber nicht aus Einsicht, sondern weil der öffentliche Druck zu groß geworden ist. Es geht also. Holen Sie die anderen Kürzungen auch zurück. Wir haben hierzu heute einen Antrag vorgelegt. Sie brauchen nur zuzustimmen, dann helfen Sie mit, die Stadt nicht weiter zu entzweien.

Wir appellieren an das Bündnis aus SPD, CDU und FDP: Keine Streichungen bei den Schwächsten der Gesellschaft. Und keine Einschränkung von Hilfen für die, die sich nicht selber helfen können. Alles andere ist eine gefährliche Vernachlässigung der Zukunft unserer Stadt.

Ich schließe damit in meiner Schlussfolgerung meiner Kollegin Elisabeth Clausen-Muradian an: Wenn der Haushaltsentwurf von SPD, CDU und FDP heute so beschlossen wird, dann ist es offiziell – Die Fraktion von Grünen, Volt und Piraten ist die einzige zukunftsgerichtete Kraft im Rat der Stadt Hannover.

Liebe Kolleg*innen, der Haushalt ist noch nicht beschlossen und die SPD-Fraktion befindet sich unter dem Druck der Diskussion gerade in einem tiefgreifenden personellen Veränderungsprozess. Hoffentlich auch inhaltlich. Wir können immer noch einen Plan fassen, der den Geist des Gemeinwesens fördert, so wie der Verein WAS MIT HERZ es vormacht. Integration statt Spaltung. Geben Sie uns heute ein Zeichen, und sei es ein Kompromissvorschlag zu unserem Antrag. Hannover hat immer noch die Chance, eine Stadt für alle zu bleiben.

Vielen Dank.

12. Dezember 2024