Haushaltsrede 1: Elisabeth Clausen-Muradian

Am 12. Dezember ist der Doppelhaushalt der Jahre 2025/2026 vom Rat der Stadt Hannover beschlossen worden. Die Vorsitzenden der Fraktion Grüne + Volt + Piraten haben die zwanzigminütige Redezeit jeder Fraktion geteilt und je eine Rede gehalten. Dies ist die Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden Dr. Elisabeth Clausen-Muradian:

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Anwesende,

heute ist ein entscheidender Tag für Hannover. Wir stimmen darüber ab, wie wir unsere Stadt in den nächsten zwei Jahren – und darüber hinaus! weiterentwickeln und gestalten wollen. Als Mitglieder des Stadtrats ist das eine unserer wichtigsten Aufgaben, für die wir von den Menschen in Hannover gewählt worden sind.

Die gute Nachricht: Die Verwaltung hatte uns im Sommer einen (wie wir finden) sehr ausgewogenen und (noch besser) sogar ausgeglichenen Haushaltsentwurf vorgelegt, der auch noch Spielräume für den Rat ermöglicht hat, eigene Akzente zu setzen.

Unsere Fraktion hat dies genutzt und in über 150 Zusatz– und Änderungsanträgen ein Maßnahmenbündel vorgelegt, mit dem wir Hannover als lebenswerten Standort, als nachhaltige, soziale, junge, lebendige und sichere Stadt noch besser zukunftsfest machen wollen. Eine neue Flächenpolitik, Schwammstadt-Konzepte, Ausweitung der Wohnraum-förderung, des Angebots für wohnungslose und suchtkranke Menschen, der Finanzierung des Hannover-Aktiv-Passes (HAP), angemessene Vergütungen in der Kulturbranche, Stärkung der Jugendeinrichtungen sowie der Grundschulen im Ganztagsbereich, Stärkung von Awareness-konzepten in allen öffentlichen Bereichen, gezielte Investitionen im Sportbereich, Verbesserung der Schulwegsicherheit seien hier beispielhaft genannt.

Damit ist es mit der guten Nachricht allerdings auch schon vorbei. Denn nichts davon wird kommen. Das neu gefundene Bündnis von SPD/CDU/FDP hat unsere Anträge in den vorbereitenden Ausschüssen bereits abgelehnt – ausnahmslos.

Stattdessen müssen wir heute über einen von SPD/CDU/FDP neu geprägten Haushaltsentwurf abstimmen, der mit den jetzt vorgesehenen Kürzungen das soziale und kulturelle Fundament unserer Stadt mutwillig schwächt. Denn die Kürzungen treffen ausgerechnet diejenigen, die täglich für den Zusammenhalt in Hannover kämpfen: die sozialen Vereine, die Kulturinstitutionen, die Beratungsstellen. Was hier auf dem Spiel steht, ist mehr als nur Geld. Es sind Anlaufstellen, Begegnungsorte, Identität und Sicherheit.

Das ist nicht nur eine Abkehr von sozialer Verantwortung, sondern ein direkter Angriff auf das Herz unserer Stadt, eine Politik der sozialen Kälte, die plötzlich in unsere Stadt einzieht, sie spaltet und unsere gemeinsamen Errungenschaften aufs Spiel setzt. An dieser Stelle frage ich mich vor allem eines: Wie kann eine so traditionsreiche, dem Sozialen ursprünglich so verpflichtete Partei wie die SPD derart ihren Kompass verlieren?

Was wir hier sehen, ist die bewusste politische Entscheidung eines unsozialen Bündnisses. Wir sehen eine klare Entscheidung gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft, gegen kulturelle Vielfalt, gegen junge Menschen, gegen Klimaschutz, gegen Fortschritt. Das Wogegen ist klar in diesen Haushaltsanträgen. Doch wo ist das Wofür, wer profitiert? Es geht unter anderem um mehr Stellen im Ordnungsdienst. Um eine symbolische Law-and-Order-Politik, die keinerlei Probleme löst, sondern nur neue schafft. Um Großevents. Es geht in weiten Teilen um eine Stärkung von Angeboten für die, die ohnehin stärker sind.  Indem Mittel für einige Vereine erhöht werden, während andere um ihr Überleben kämpfen müssen, treiben SPD, CDU und FDP einen Keil in unsere Stadtgesellschaft. Aus der Gemeinschaft, die den Geist in unserer Stadt immer ausgezeichnet hat, werden quasi über Nacht Konkurrenten. Oder, wie einige Akteur*innen es klar benannt haben: „Wir sind jetzt Rivalen.“

Doch SPD/CDU/FDP zielen mit ihren Plänen für den HH nicht nur auf die Zivilgesellschaft, sondern auch auf die Stadtverwaltung. Das zeigen die von ihnen vorgesehenen Stellenstreichungen im Rathaus, die zwar als schlecht getarnte, politisch motivierte Angriffe gegen den Oberbürgermeister erkennbar sind, gleichwohl aber vor allem die Beschäftigten treffen. Und wenn sich dann auch noch – wie z. B. bei den geplanten Stellenstreichungen beim Bodenschutz – zeigt, dass die Ratskolleg*innen von SPD/CDU/FDP nicht mal sorgfältig recherchiert haben (die simple Nachfrage bei der Verwaltung hätte hier ja schon genügt), ist das bestenfalls peinlich, eher aber beschämend. Tatsächlich sind die Ergebnisse, die die Mitarbeitenden des Bodenschutzes auf diesen Stellen Tag für Tag erbringen, unverzichtbar für die Stadt. Die Streichung der Stellen würde bedeuten, dass die Leistungen umgehend extern eingekauft werden müssten. Damit wären sie um ein Vielfaches teurer für die Stadt.  Hier Geld einsparen zu wollen, ist also Nonsens (ganz erstaunlich bei Parteien, die für sich in Anspruch nehmen, die geballte Wirtschaftskompetenz quasi bei sich gepachtet zu haben …).

Das, was das sog. Deutschland-Bündnis mit seinem Vorgehen erreicht hat, ist bei den Beschäftigten im Rathaus und in der Stadtgesellschaft Unruhe und Unsicherheit zu säen. Das Ganze auch noch getoppt durch Einschüchterungsversuche, um öffentlichen Protest und Kritik der Betroffenen hierzu mundtot zu machen. Das weckt in mir böse Erinnerungen an mein früheres Leben in der DDR. Vor dem Hintergrund dieser persönlichen Erfahrungen hat mich das – ich muss das an dieser Stelle deutlich sagen –  tief erschüttert. Und dass der OB gegenüber demokratischen Parteien die Meinungsfreiheit seiner Mitarbeiter*innen verteidigen muss, macht mich schier fassungslos. Dabei brauchen wir gerade jetzt, wo die Demokratie multiplen Krisen zu trotzen hat, mehr denn je eine Politik, die sachbezogen und vertrauensbildend arbeitet.

Liebe Kolleg*innen,

Sie wissen: Jeder Haushalt setzt sich aus Einzelposten zusammen. In der Summe ergeben sie eine politische Ausrichtung. Wenn der Haushalt so, wie von SPD/CDU/FDP geplant, verabschiedet wird, verabschieden sich diese drei Fraktionen von einer Politik des Fortschritts. Sie verabschieden sich von der sozialen Verantwortung, der kulturellen Vielfalt, die unsere Stadt bisher prägt, und sie verabschieden sich vom Weg zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit, die für eine lebenswerte Zukunft unserer Stadt entscheidend sind.

Ich appelliere an Sie und Euch alle, die heute ihre Hand heben werden: Besinnen wir uns auf die Werte Solidarität, soziale Verantwortung, Gerechtigkeit, Diversität und Teilhabe. Wir können heute gemeinsam ein Zeichen setzen – für eine Stadt, die zusammenhält und die progressiv in die Zukunft blickt.

Vielen Dank.

12. Dezember 2024